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21. Oktober 2018

kunstsalon posin


Wir gingen mit unserem Hagemeisterkatalog zu den Fälschern Posin, um zu fragen, ob sie so etwas schon gemacht hatten. Hatten sie, den Teich in der Mark; etwas untypisch für Hagemeister.

Wir bewunderten die vorhandenen Fälschungen der Mona Lisa und anderer, und bekamen etwas später die inspirierten alter Meister/Posinmischungen gezeigt.

Auf die Frage nach Hagemeister und den Kostenpunkt, entsprang ein Gespräch über die Kunstentwicklung und Fälschungstechnik. Zuerst wird mit einem Raster ähnlich wie bei Dürer, eine Vorzeichnung kopiert, die dann auf den Gesamteindruck noch mal kontrolliert wird. 

Nach Auseinandersetzung mit der Malweise des Meisters, wird zu Wahrung der Spontaneität im ähnlichen Zeitrahmen, das Bild fertiggestellt. Van Gogh zum Beispiel ca eine Woche. (Für den gesamten Auftrag nehmen sie sich ein halbes Jahr Zeit.)

Darauf entspann sich für Hagemeister ein Gespräch über Impressionisten und Farben, und warum Hagemeister sich selbst so nicht bezeichnete. Er zerlegte keine Farben. Zu Hagemeisters Anwendung der götheschen Farbenlehre meinte Michael: " Göthe hat recht." Apodiktisch.

Auf den Hinweis auf Cranach im Jagdschloss Grunewald, bekamen wir ein Analyse seines naiven Malstils, der unnachahmlich (quasi naiv) ist, und den Hinweis seine Zeichnungen zu beachten (Michael stelle sie mit Leonardos auf eine Stufe!).

Für einen weitere eigenwilligen Maler wurden wir auf Runge, Philipp Otto, hingwiesen. Das werden wir nachholen. (Er ist uns aus der Weimarer Zeichenschule erinnerlich.)

Wir wurden ob unseres Wissens gelobt, und daß wir Bazille kennen. Zum Hinweis Monet habe seine Farben bei seinen Freunden abgekuckt bekamen wir keinen Widerspruch.

Eigentlich gingen wir in den Salon, weil wir wußten, dass die Brüder Seelenbekannte wären. Dass es Michael auch so ging freute uns. (Die beiden Kinder benahmen sich vorbildlich. Wir bestaunten Posins minimalistische äußerst ordentlich Palette zu einer aktuellen Arbeit.)

Auf die Frage, wie man mit den Farbfehlern von Fotos umgehe, entspann sich das Gespräch über Dürers Landschaftsblau, der Hinweis Hagemeister habe eine Licht- und Schattenfarbe, mündete in die Feststellung Michaels:

"Man kann im Dunkeln malen." (Jeder Maler hat seine Palette.) Wir stimmen dem, nach einigem Nachdenken, auch für Hagemeister zu, denn selbst wenn er für jeden Seelischen Ausdruck, seinen Licht- und Schattenton neu gewählt hat, unterstellen wir, dass er nicht beliebig viele Pastellbrocken in seinem Weidenkorb mitnahm, oder da er sie selbst machte, überhaupt zur Verfügung hatte.

So ist dieses obige Bild der griegschen Abendstimmung entstanden. Licht- und Schattenfarbe einmal hingeworfen, malte sich das Bild allein, wir konnten die Skizze früher abbrechen, da die Stimmung eingefangen war, ohne uns in Details zu verzetteln. Die hellere untergehende Spätsonne, ist die Lichtfarbe nicht.

Der Betrachter mag es wieder nicht sehen, aber die Sonne ist hagemeisterlich zart in der Mitte am Untergehen.

Hier: http://www.kunstsalon-posin.de/

27. September 2018

Schikaneder und einige seiner Zeitgenossen

Ich verlinke Seumes Kapitel Wien aus dem Spaziergang (sozusagen Radtour im Nachbefreiungsitalien). [0] Schikaneder ist Mozarts Zauberflötentexter, wie Fouqué Lortzings Texter ist. Seume berichtet von den Unsichtbaren, die die Stiftersche Zensur betreiben. Wir bebildern Schmidt: Mit Füger.
Dieser klassische Maler orientierte sich an Wielands Aristipp. Klopstock kommt mit entschiedener Ansicht, vor. Wenn Seume eine zeitgeschichtliche Quelle ist, kann ich mir vorstellen, dass Schmidt (mit Jerofsky) aus spärlichen Quellen seinen Fouqué hervorzwingen musste. Das ist respektabel. Seume begibt sich auf seinen Spaziergang nach Syrakus. Dazu wird er durch Klopstock getrieben. Sei es, weil er als Lektor seines Verlegers den Druck von Seumes Büchern ablehnt, sei es, weil er Seume wegen seiner klassisch humanistischen Unzulänglichkeiten fertigmacht (abkanzelt). Seume lebt gut damit, Schikaneder und einige seiner Zeitgenossen nicht geschrieben zu haben, und spricht Schikaneder klopstocksch klassische Befähigung ab. (Wieland ist Seumes Freund, er liest den Oberon.) Schnorr von Carolsfeld verlässt Seume und kann nicht (wie Jerofsky) exzerpieren ( Schönes Buch Wu-Hi, Schmidts Armutsschmach durch Hochnäsigkeit glasiert.) In Wien trifft er Schikaneder, lobt sein Theater und Ensemble, seine Kenntnis der gesellschaftlichen Zustände, wie er sie, sein Publikum entlarvend, in seinem Theater äußert. (In Sachsen undenkbar.) Wieland beschreibt einen Tyrannen Diagoras, blaß gegen Dionysos. [1] (Napoleon) Bonaparte stellt die katholische Kirche wieder her, und ist der Messias der fetten Mönche, die das Geld der Armen geniessen. [2] Justinianisches Recht (und die tyrannischen Zwölfmänner) werden auf die aktuelle Situation bezogen. [3] Sündenvergebung ist der Fehler bei Seume. Sie werden nicht vergeben. Sie sind Grund zur Besserung. Insofern übertreibt Schmidt, wenn er lustvolle Sünden anhäuft, die so gigantisch sein sollen, das Leviathanstaatsvolk in den Schatten zu stellen. (Oder er hat mit Logarithmen und Fouqué Sünden gegen sich "billig" angehäuft.) [4] "Jeder soll billig sein für sich; das ist menschlich, das ist schön: aber alle müssen gerecht sein gegen alle;" Also Kinderwarnung: Für Kinder mit Bart ist Schmidt wegen tendenziöser Darstellung (und Verheimlichung) nur unter rückbesinnender (revoyanter) Aufsicht zu lesen. Massenbach bekommt nicht recht: Er wird Preussen nicht auf französische Seite bringen, und es ist protestantisch liberal (wenns so bleibt), Bonaparte (mehr tyrannisch als frei) benutzt den katholischen Gegner. Chateaubriand und der Romantiker finden jeder eine nützlich idiotische Rolle. Seume sieht 1802 Napoleons Überschätzung (folgend aus: Fehler des Gegners sind Ursache des Glücks französischer Truppen) [5] voraus. 

Seume kommt bei Schmidt nicht vor. Keine Formversuche, zu sehr allein aus seinen Texten Kennichseumewohl, zuwenig Rätsel, zu simpel konstitutionell monarchisch. (Außer humanistischer Bildung, die ich mit einem Lexikon Antike fülle.) 

Wienlink[0] http://www.zeno.org/Literatur/M/Seume,+Johann+Gottfried/Reisebeschreibungen/Spaziergang+nach+Syrakus+im+Jahre+1802/Wien
Quellen [1]
http://gutenberg.spiegel.de/buch/spaziergang-nach-syrakus-im-jahre-1802-8600/24 http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/seume_syrakus_1803?p=344
[2]
http://www.deutschestextarchiv.de/search/ddc/search?ctx=8&q=%22%27Bonaparte%27%22%20%23HAS%5B%27basename%27%2C%27seume_syrakus_1803%27%5D%20;start=11;limit=10;fmt=html http://www.deutschestextarchiv.de/search/ddc/search?ctx=8&q=%22%27Bonaparte%27%22%20%23HAS%5B%27basename%27%2C%27seume_syrakus_1803%27%5D%20;start=11;limit=10;fmt=html
[3]
http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/seume_syrakus_1803/?hl=Justinian&p=79
[4]
http://www.deutschestextarchiv.de/search/ddc/search?fmt=html&corpus=ready&ctx=&q=%27s%C3%BCnden%27+%23HAS%5B%27basename%27%2C%27seume_syrakus_1803%27%5D&limit=10
[5]
http://www.zeno.org/Literatur/M/Seume,+Johann+Gottfried/Reisebeschreibungen/Spaziergang+nach+Syrakus+im+Jahre+1802/Z%C3%BCrich

Possierlich grüßt


30. August 2018

platonische Harmonie



Wie gesagt, man kann dieses Planetenmodell basteln. (Und flucht, weil er es gar so fein harmonisch gestaltete.)

Wir schaffen uns ein 60mm Teleskop an, um seine Forschung dort fortzuführen.
Kurz zur Erklärung der dargestellten Harmonie: Die fünf platonischen Körper (die Gleichflächer) werden ineinandergestellt. so dass der Umkreis des einen der Inkreis des nächsten ist. Auf diese Kreise werden die Planeten gesetzt, und siehe die tatsächlichen Abstandsverhältnisse ergeben sich erstaunlich genau. Nun ist die Erdbahn zum Beispiel nicht sehr exzentrisch und auch Kepler kam beim Nachrechnen auf Ellipsenbahnen. Den Anlass zum Nachrechnen sah er in der Notwendigkeit seine Horoskope zu verbessern. Auch nach diesen Erkenntnissen verwarf er das urspüngliche Modell nicht.

16. August 2018

zachs himmelspolizei


Der Kirchturm der Sekte raste dahin und wir flohen vor ihm. Es war hoffnungslos. (Daten des Kirchturms flimmerten:
mit 29,8 km/s +/- 1/2 km/s Geschwindigkeit. Unsere Daten notierten:
mit 9m/s)

Der Turm  stand in seiner Trägheit fest, wie meine Quetsch=Stempel=Kaffeekanne, jeder einzelne Backstein raste dahin.
(Stichprobe der Backsteine: mit 29,8 km/s +/- 1/2 km/s)

Wir entschieden uns zur Flucht, Rückzug, Evakuation. Mit unserem Material, unsererLogarithmentafel, also Elektronengehirn, reist man nicht mal hinter den Mond, und wir entschieden uns für dessen Vorderseite.

Wir stiegen zum Raumschiff Insulaner hoch, dort warteten 431 jugendliche Schmidtleser im  Raumschiff: wir wollen noch einmal das Ziel anpeilen "Könnt Ihr nicht mal endlich Eure Handys ausmachen." es blendete in die Kameras, die Fische im Sternbild wollen schlafen. Es ist weg. So ein Pech, Mondfinsternis. Noch etwas ist da. Oben fliegt die ISS über den Himmel. Zur Not dorthin. Rechts unterhalb der Mondposition, etwas kleines rotes. Der Mars. Da fliegen wir hin. Nach dem anfänglichen Gedrängel lockerte sich die Stimmung. Dunkelheit macht vertraulich.


(Um Mut zu fassen, werfen wir für uns im Dunkeln unsere Hanser Dünndruckausgabe d´un rien über den Zaun in den Himmel. Plump plumpst sie zurück. Das war ja rein nichts mit der Motivation hinterherzuspringen. Die astronomischen Tafeln werfen wir hinterher.)

Schmidt im Mare Crisium wartet da oben auf uns. Lem auf elliptischer Patrouillenbahn in der Leere.

Wir steigern Exzentrizität über die annähernd kreisförmigen Ellipsenbahnen der Planeten unseres Sonnensystems. Wir schweifen weiter. Im Großen, Genialischen. "Nur Lumpen sind bescheiden."

Dann gleich zum Sternbild der Jungfrau.
Freude trinken alle Wesen. an den Brüsten der Natur.

Die gutgelaunte Mannschaft entfernt sich von Irdischem, hebt ab, überwindet.

Ei verflucht wo steuern wir hin, das ist Cassiopeia, das Himmels=W, jetzt den Kurs nachrechnen, Logarithmen zeugen, und ein wenig die verschüttete Milch lang, Scheibenwischer einschalten, da kommen wir dem schon näher, hoppla, das ist ja Perseus, oh kuck mal eine Sternschnuppe, ich darf mit was wünschen, da noch eine, was ist denn das, da streckt ein Anhalter den Daumen nach Cheliabinsk heraus, der kommt aber nah ran, oh, das war knapp. Da weiß ich was ich mir ab jetzt wünsche. Das ist der reinste Ström, meine Reserve ist nicht das Problem, Wollust ist dem Wurm gegeben, davon gibts genug, aber wo habe ich meine PEZzo=Eufruglium=Pillen aus der pharmazeutischen Kabine gegen Ström, ah, da sind sie ja. Noch mal Glück gehabt. Alle nehmen eine, das sind drei Stunden Pause. Noch einen Tee Misses Nesbitt? Jetzt mal schnell weg von den Perseidenschwärmen.


Ins Blogbuch schreiben wir, dass wir uns dem Sternbild des Buches nähern, leerer Raum, wir passieren einen Schauer von Rezensionen ungelesener Bücher.

In der Depression, vermutlich ein Ausfluss der Raum-Zeitsenken, ging es lustig auf und ab, das Schiff knirscht, droht zu bersten. fing dieselbe an und die reine Verwirrtheit. Wir himmelten uns gegenseitig als intelligente Wesen an im Raumschiff, kreativ bis zum Untergang. Wir überhöhten unsere Eigenschaften, übermenschten uns, und spielten Fehler verliebt herunter. Hoffnung kam auf, wie nichts. Ein Verliebter, die Wirklichkeit wurde immer schöner, Opium fürs Volk. Keine Schlafmohnblumen, es war kein Österreicher dabei. Ein Stier ritt vorüber und eine nackte Frau wedelte mit Papieren, auf denen man Paragraphen ahnte. An der Pflicht hat man was, rief mich kurz ich kujonierte die Mannschaft, schnarrte, disziplinierte für einen Augenblick. Es schnarrte weiter, und Teile lösten sich vom Schiff.

Ich raste auf den Stier zu, säbelte den Schwanz ab, und versuchte auszuweichen, die Haftpflichtversicherungen für Raketen sind teuer und schlecht, dabei brach der Steuerhebel ab, heut abend gibt es Ochsenschwanzsuppe, verdammt wir werden hochgestuft, und wir rasten dem Stern Wega entgegen. Oh solche Schande. 

Der liederliche Stern stand im Weg, wir prallten dagegen, elastisch wie Major Vega war, prallten wir ballistisch ab, und trudelten hyperbolisch ins Nichts, einem Wurmloch entgegen, worin uns der dunkel materialisierte Leviathan verschluckte. 

12. Juli 2018

28. Juni 2018

Wolken

Alle drehen sich im Park nach Papa um, der schreit:

"Chezaia, Du hast die Wolken vergessen!"

Chezaia planscht im Brunnen und reagiert nicht.
"Chezaia, Du hast die   W O L K E N   vergessen!"

Chezaia reagiert nicht. Wie kann man nur die Wolken vergessen.

Chezaia erklärt später: "Nö, ich hab sie nicht vergessen, sie sind oben."

Oben ist ein kleiner weißer Fleck der im Gegensatz zum großen weißen Fleck auf der unteren Hälfte nicht ins Gewicht fällt, kaum bemerkt wird.

"Ich wollte ja auch kleine Wolken malen, und sieh hier: Hecke, Bank, Baum, Busch, Zaun, kleiner Baum mit Ästen."





24. Mai 2018

Terror

Ich beschreibe, was ich am besten kann: Gefühlskälte. Es ist in meinem betonierten Loch so kalt.

Der Ausguck ist leicht angehoben, ich peile hinaus. Einige Meter weiter sehe ich das Versteck. Die Klappe liegt anders. Sie waren da. Die Ratten. Ich hatte sie meist erfolgreich einbetoniert.
Dort lagern die Waffen für die Stay behind

Organisation,

die Gladio Affaire, die Organisation Consul. Alles das kommt zum Laufen, wenn das Zeichen gegeben wird, läuft die Aktion mit ihren Rädchen (= Schläfern) an, das x- te Rädchen wird in den Mechanismus eingeschaltet. Wie es funktioniert, weiß keiner, die Leitung, BND, oder ZK und die revolutionäre Zelle. Es gibt sie alle nicht.

Die Königsallee schlängelt sich bergauf, bergab, anmutig rechts links, gibt den Blick auf Havelseen frei, diese versenkt, wären sie klein, tief, lochartig, bis sie zur gewundeneren Stelle gelangt. Rathenau kam aus der Richtung des heute hundeverseuchten Grunewaldsees, mit Jagdschlößchen und Cranachausstellung. Er fuhr ein, zwei Minuten von seiner Adresse Nummer 65.

Halsbrecherisch an dieser Stelle zu überholen: Die Straße macht eine S-Kurve zuerst eine Linkskurve und geht bergauf, der Gegenverkehr ist schnell, die Kurve ist nicht einzusehen, und wartet man, bis sich die Kurve nach rechts wendet, muss man bergauf beschleunigen.


Rathenau liegt tot in der Königsallee. Der Erfolg beansprucht Wirklichkeit. Der Terror trifft keinen Juden, die Organisation Consul gibt es nicht, es trifft den Unschuldigen mit der guten Idee: es gibt kein Problem, die Verteilung stimmt nicht.

1936 zwei Milliarden Menschen à 40 Jahre Lust macht 80 Milliarden Jahre nachgeborene Lust. Und heute:

7 Milliarden mal 50 macht 350 Milliarden Jahre unerfüllte Lust. Wohin damit? Hierhin!



Hier die zweite Kurve einsehbar nach rechts, mit Gegenverkehr, der bergab fährt.
Kreuzung Erdener- und Wallotstraße. Die Fluchtroute.
 Halsbrecherisch hier zu überholen, eine nicht einsehbare Rechtskurve bergauf.

Zurzeit haben sie nicht mehr hingekriegt. Hier liegt er, nachdem er "Mein Gott!" gesagt hat. (70/80er Jahre Betonbau im Pflegeheimstil prägt nicht die Grundewaldallee, sondern Villen. In der Nachbarschaft, Podbielskiallee, Konsulate.)
 Wir verweilen. Die Stele ist von 1946.
Auf dem Weg zur Arbeit fuhr er an solch schönen Gletscherseen des Havellandes im geschwungenen Terrain im leichten Auf und Ab vorbei. (Heute ist die Grundewaldallee schlimmer als eine Durchgangsstraße auf der die Gutbetuchten ihre schicken Flitzer Schach von Wutenowmäßig auf- und abfahren und Rosen stutzen. Ergraut und gestresst mit der Gießkanne umherflitzen.)


Zwölf Jahre wohnte er hier. Sein Schloß nördlich von Berlin konnte man gerade noch billig kaufen, vergleichbare finden sich billig. Die Rathenaus ziehen wieder nach Berlin. (Hier wird die Immobilie getauscht, nicht gekauft.)
Hier lebte er und fuhr zur Arbeit los. Trotz Morddrohungen und Warnungen der mit seiner Sicherheit beauftragten ohne Sicherheitsschutz im offenen Wagen. Er habe keine Angst vorm Sterben. Wir nicht. Alt, ohne Kinder, ohne Liebe, nur platonisch.
Die drei Mörder, angeblich von der Organisation Consul, deren Existenz der unsympathische Ernst von Salomon begründet leugnet.

Ausgebildete Freikorpsoffiziere in ihren zwanzigern (in dem wuchtigen Bau der Lichterfelder  Kadettenanstalt an der Finckensteinallee, Ecke Kadettenweg, nur zu spät für den Weltkrieg, noch nutzlosere Helden, die lachend in den Tod gehen, und mehr nicht lachen). Die gerade nicht als Eintänzer arbeiteten. Zurecht vergessen. In diesem Fall ist der zynische Terror, mit nachträglicher radikaler vorgeschobener antisemitischer Begründung tragisch. Drei Leute im Tourenwagen (in der Größe eines kleinen Transporters) erwarteten ihn auf seinem Weg zur Arbeit. Sie folgten ihm, als er an ihnen vorbeifur, sie nicht bemerkte, überholten ihn an obiger Stelle, schoßen mit einer Maschinenpistole und warfen eine Handgrante in Rathenaus offenen Wagen. Rathenau starb sofort. Sie flüchteten über die Wallotstraße und stellten den Wagen ab, der bald gefunden wurde. Die Täter hatten ihn nicht überlebt. Nur der verurteilte Fahrer. Die Leute im Hintergrund, deren Mitwirkung unklar blieb. (Erinnert uns an den jungen Römer, der Archimedes "Störe meine Kreise nicht" schlecht goutierte. Er hatte den Römern mit seinen Kriegsmaschinen zugesetzt. Heute 2018 finden sich solche Radikalen. Wir haben keine Angst. Der Terror der O.C. soll angeblich vom Polizeipräsidenten gedeckt gewesen sein.)

Die Täter sind auf Fahrrädern geflohen. Auf den ausgebrachten Fahndungszettel hin fanden sich massenweise Päarchen in der Landschaft in schwarzer Kleidung auf Fahrrädern. Sympathisanten. Das echte Päarchen kam einen Tag zu früh oder zu spät an der Ostseeküste an und verpasste das bereitgestellte Fluchtboot. Sie wandten sich zurück in das Land (Mecklenburg) wurden von der Polizei gestellt, flüchteten in einen Turm, gaben sich mit der Polizei einen Schußwechsel, bei dem einer der Attentäter getötet wurde, der andere erschoß sich.

Sie nannten sich die Geächteten, im Gefängnis kamen sie nicht dazu, glorreich die offenen Ostgrenzen ohne Reichswehr statt dieser zu beschützen, und mit Heisenbergs Hilfe die Münchner Räterepublik zu beenden. Einer der Stätten des Bürgerkriegs, der durch jede deutsche Stadt zog.

Barbusige Sphingen säumen in Parallelstraßen die Brücken.

Die ganzen Gruppen schieben sich gegenseitig die Attentate zu, es ist Terror, nicht um den anderen anzuschwärzen, sondern weil jeder Terror der gegnerischen Gruppe nutzt. Die Gladioaffaire, die sich über ganz Europa gezogen haben soll, hat als rechte Stay Behind Organisation für den kommunistischen Einfall, willkürlich Terror gegen die eigene Bevölkerung getrieben, und keiner weiß, ob italienischer oder gesamteuropäischer Geheimdienst verantwortlich war. Die Wehrsportgruppe Hoffmann ist Strauss mit dem Oktoberfestattentat aus dem Ruder gelaufen, er war zu viel mit Waffendeals, mit vergleichbaren Gruppen, beschäftigt. Die Hinweise aus dem Attentat wurden nicht weiterverfolgt, obwohl ein Täter ohne Hand greifbar war. Chaussy schildert die Vertuschungsaktion. Die Angehörigen wurden verhöhnt. Seit kurzem wird gerichtlich weiterverfolgt. Die NSU Affaire fügt sich nahtlos in dieses Bild.


Das Motiv: Kommissar Schmidt hat sich ein Bild gemacht, aber das Motiv für den Mord, sagt er sowenig wie alle anderen. Rathenau bekommt kein Denkmal, wie Fats Waller, weil er Antizionist war. Er hielt sich mal für einen strammen Preussen, einen Deutschen aus jüdischem Lande, wie jeder andere Deutsche aus bayrischen, niederdeutschen oder sonstwie Lande. Die militärische Karriere wurde ihm verwehrt: Grundlos, ungleich, ungerecht, "daß er als Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn aus dieser Lage befreien kann." Er gehörte zur Elite und wurde diskriminiert. Er bemerkte, daß nicht alle deutschen Menschen gleich sind. Seine folgenden Beobachtungen waren genau. Er merkte vor dem ersten Weltkrieg, dass die sozialen Probleme reine Verteilungsprobleme waren, das Geld und die Waren waren für alle vorhanden, nur ungleich verteilt, zum Beispiel bei Leuten wie ihm.

Er wurde nicht als Jude ermordet, Kapitalist oder Erfüllungspolitiker. Er hatte gesagt, die Marktwirtschaft versage bei Knappheit. Alles werde teurer, nichts sei da, oder wo es sein sollte. Heute wissen wir, dass die Ökonomisierung derselbe hohlaufende überteuerte Schmarrn ist. Dem soll planmäßig gegengesteuert werden. Im ersten Weltkrieg hat er gezeigt, wie es gemacht wird, das Schießpulver wäre ausgegangen. Er wurde ermordet, weil er die Planwirtschaft erfand, und rechts wie links das Programm stahl. In Russland übernahmen sie sie, und Albert Speer übernahm sie für die Nazis. Die Einheitsloks (Dampf) fahren heute noch, obwohl nur für drei Monate Haltbarkeit gebaut (genialer Bauplan.)

Jede Behauptung zum Motiv sollte von der Wahrheit ablenken und der radikalen Sache nützen.

2. Mai 2018

Dr. Puschs Normalnovelle

Unter den Hochzeitsgästen hatte sich, wie schon kurz erwähnt, auch ein Doktor Pusch befunden, ein gewandter und durchaus weltmännisch wirkender Herr mit gepflegtem, aber schon angegrautem Backenbart. Er war vor etwa fünfundzwanzig Jahren an der Assessorecke gescheitert und hatte damals nicht Lust gehabt, sich ein zweites Mal in die Zwickmühle nehmen zu lassen. »Das Studium der Juristerei ist langweilig und die Karriere hinterher miserabel« so war er denn als Korrespondent für eine große rheinische Zeitung nach England gegangen und hatte sich dort auf der deutschen Botschaft einzuführen gewußt. Das ging so durch Jahre. Ziemlich um dieselbe Zeit aber, wo der alte Graf seine Londoner Stellung aufgab, war auch Doktor Pusch wieder flügge geworden und hatte sich nach Amerika hinüber begeben. Er fand indessen das Freie dort freier, als ihm lieb war, und kehrte sehr bald, nachdem er es erst in Newyork, dann in Chikago versucht hatte, nach Europa zurück. Und zwar nach Deutschland. »Wo soll man am Ende leben?« Unter dieser Betrachtung nahm er schließlich in Berlin wieder seinen Wohnsitz. Er war ungeniert von Natur und ein klein wenig überheblich. Als wichtigstes Ereignis seiner letzten sieben Jahre galt ihm sein Übertritt vom Pilsener zum Weihenstephan. »Sehen Sie, meine Herren, vom Weihenstephan zum Pilsener, das kann jeder; aber das Umgekehrte, das ist was. Chinesen werden christlich, gut. Aber wenn ein Christ ein Chinese wird, das ist doch immer noch eine Sache von Belang.«

...

»Nein, Herr von Szilagy, so tief ließ mich die Gnade nicht sinken. Aber ich treibe mein Wesen über dem Strich, und wenn man so Wand an Wand wohnt, da weiß man doch einigermaßen, wie's bei dem Nachbar aussieht. Ach, und außerdem, wie so mancher hat mir sein Herz ausgeschüttet und mir dabei seine liebe Not geklagt! Wer's nicht leicht nimmt, der ist verloren. Roman, Erzählung, Kriminalgeschichte. Jeder, der der großen Masse genügen will, muß ein Loch zurückstecken. Und wenn er das redlich getan hat, dann immer noch eins. Es gibt eine Normalnovelle. Etwa so: tiefverschuldeter adeliger Assessor und ›Sommerleutnant‹ liebt Gouvernante von stupender Tugend, so stupende, daß sie, wenn geprüft, selbst auf diesem schwierigsten Gebiete bestehen würde. Plötzlich aber ist ein alter Onkel da, der den halb entgleisten Neffen an eine reiche Cousine standesgemäß zu verheiraten wünscht. Höhe der Situation! Drohendster Konflikt. Aber in diesem bedrängten Moment entsagt die Cousine nicht nur, sondern vermacht ihrer Rivalin auch ihr Gesamtvermögen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch... Ja, Herr von Szilagy, wollen Sie damit konkurrieren?«

Und so auch, meine Herren, wenn ich von moderner Literatur spreche. Herr von Szilagy, den wir so glücklich sind, unter uns zu sehn, soll aufgerichtet, seine Seele soll mit neuem Vertrauen erfüllt werden. Oder aber mit Heiterkeit, was noch besser ist. Er soll wieder lachen können. Und wenn man solche Wirkung erzielen will, ja, dann muß man eben deutlich und zugleich etwas phantastisch sprechen. Indessen auch ernsthaft angesehen, wie steht es denn mit der Herstellung (ich vermeide mit Vorbedacht das Wort Schöpfung,) oder gar mit dem Verschleiß der meisten dieser Dinge! Lassen Sie mich in einem Bilde sprechen. Da haben wir jetzt in unsern Blumenläden allerlei Kränze, voran den aus Eichenlaub und Lorbeer bestehenden und meist noch behufs besserer Dauerbarkeit auf eine herzhafte Weidenrute geflochtenen Urkranz. Und nun treten Sie, je nach der Situation, an die sich Ihnen mit betrübter oder auch mit lächelnder Miene nähernde Kranzbinderin heran, um zu Begräbnis oder Trauung Ihre Bestellung zu machen, zu drei Mark oder zu fünf oder zu zehn. Und genau dieser Bestellung entsprechend, werden in den vorgeschilderten Urkranz etliche Georginen oder Teichrosen eingebunden und bei stattgehabter Höchstbewilligung sogar eine Orchidee von ganz unglaublicher Form und Farbe.«
»Kenne die Orchidee«, rief Wrschowitz in höchster Ekstase, »lila mit gelb.«
Pusch nickte, zugleich in steigendem Übermut fortfahrend: »Und genau so mit der Urnovelle. Die liegt fertig da wie der Urkranz; nichts fehlt als der Aufputz, der nunmehr freundschaftlich verabredet wird. Bei Höchstbewilligung wird ein Verstoß gegen die Sittlichkeit eingeflochten. Das ist dann die große Orchidee, lila mit gelb, wie Freund Wrschowitz sehr richtig hervorgehoben hat.«

Fontane, Der Stechlin, 34. Kapitel.



21. April 2018

Uneben

"Uneben" ist von Kleist, der zerbrochene Krug. Im Sinn "kein unebner Kerl" bei Schmidt.
Kleists Humanismus prangt auf den Scherben des zerbrochenen Kruges. Und die Figur des Richters Adam gibt die Vorlage für Schmidts Icherzähler: Verlogen (und korrupt) bis ins Mark, von einer weiblichen Wahrheitsauffassung, bizarr schiefsymmetrisch, Verdrängung unerlaubter Entjungferung von Mädchen, ganzen Generationen oder der bedrückenden Wissenschaft und der Logarithmen, sagt Adam mehrmals, gibt er vorweg zu, dass er ein schlimmer schäbiger Kerl ist,


Gestrauchelt bin ich hier; denn jeder trägt
Den leid'gen Stein zum Anstoß in sich selbst.
....
Doch wenn Ihrs herausbekommt, bin ich ein Schuft.

...

keiner hört hin, und er zeigt in den Details eine unwiderlegbare logische Konsequenz. Er genoß  Autorität aus seltsamer Menschlichkeit. Und  mit seiner sich überschlagenden Verzweiflung ist er sympathisch. (Herrn J.....m..... kollokieren lassen.) 




Das Stück entstand in Konkurrenz mit einem Wielandsohn.

6. April 2018

Elemente

  • Innerers - Äußeres Geschehen
  • Wasser Erde Luft Feuer
  • Analogien - Gleichnisse 
  • Es ist wahr, 
  • Alternativen
  • aber sonst
  • Vererbung oder Zufall
  • aber sonst
  • aber sonst
  • alles Lüge
  • Anton Reiser
  • von Karl Phillip Moritz
  • http://gutenberg.spiegel.de/buch/anton-reiser-4900/1

5. April 2018

windmuehlen


windmuͤhlen

Angefertigt Donnerstag 29 März 2018


Ich muss ein wenig ausführlicher werden, weil die Erzählung
windmuͤhlen,
aus der Reihe seiner besseren, nicht gelesen wird.
Nach dem Lesen einer längeren unverständlichen Geschichte ergibt sich eine einfache Handlung:
2 Männer überbringen dem Bademeister im Schwimmbad einen Brief. Das Schwimmbad wird beschrieben.
Es wird zu viert geredet. Dann fahren die beiden wieder weg.

Diese wird bei genauerem Hinlesen mit diversen Motiven und Motivchen angereichert, die teils Parallelerzählungen sind, mehrere Stränge ergeben.
Wie immer bei Schmidt homo= und sexuelle Unterthemen, denen hier nicht nachgegangen wird:
  • Vererbung oder Zufall
Sodann "Frau Technik regt ihre Gelenke" und der Titel "Windmühlen" in der Einleitung. Es wird auf wiederkehrendes Kreisen bezug genommen, sowie auf technischen Fortschritt, unterschwellig wie bei Don Quijote die Windmühlen seiner Zeit sowie gesellschaftlich er als Ritter, als in der Bargfelder Heide, wo Öl gefunden und gefördert wurde, gepumpt wird, nicht mit Mühlen, wie in Holland, das Wasser aus dem Land, in Spanien, das Wasser ins Land. Sie wurden in ihrer Einöde abhängig vom Weltgeschehen der Ölkrise, wobei man hier ganz unbedarft im Auto umherkurvt, bis nach Italien reist. Beziehungsweise nicht selbst verreist und wie die Eintrittskartenverkäuferin in einer unbekannten literarischen Welt abtaucht. Wie das Auto sind Mühlen Antriebsmaschinen, die bald als Dampfmaschine beweglich werden.
Vieles davon wird einleitend in der Erzählung angerissen.
Das Drehen, die Wiederkehr, die ewig gleich ankommenden Wellen der Fresslust, Reiselust, Vergnügungslust, Autolust, Welle um Welle. Gewimmel im Kleinen und angedeutet kosmologisch im Planetarischen.
Es ist der überzuckerte betäubende Trubel der frühen Bundesrepublik, und dem in die Einöde des Waldbades sich entziehenden Bademeisters graut, da er auf alte Erinnerungen, die er meiden möchte zurückgeworfen wird, und den hypnotisierenden Windmühlenflügeln anheimfällt, ausgeliefert wird, wovon er sich aktionistisch befreit, was er schuldbewußt wieder rückgängig macht.
Einzelne Details wie die Jupiterbedeckung liest man aus einem Nachschlagewerk Stein ab, lässt sich davon aber möglichst nicht die Gesamtsicht einer Schau der frühen Nachkriegsrepublik verstellen
Die Mechanik dreht sich jetzt durch die ganze Geschichte und den Untergrund. Die Wellen schlagen in steter Wiederholung ans Ufer. Wo doch Kreisbewegung und Sinus sowieso zusammenhängen.
:Das Karussell!
Ich empfinde diese Erzählung als Beispiel seiner Fototechnik, stelle mir dabei aber keine Collage von Polaroidfotos vor, sondern das sind Schmidts reine Gedankenfotos, die bei Zeitgenossen lebendig werden oder sind. Er ist ein Mosaikarbeiter.
Das Gesamtmosaik entdeckt seine Details. Nicht plumpe Kritik an Gesellschaft oder Technik, sondern Hinweis auf Alternativen. Auch Rekonstruktionstechnik ist gefragt.
)Und es sind nicht die Wasserwelten und der willenlose Wille, wie Herr Jürgensmeier meint, der sich hier ausdrückt.(
(Die Ideen stammen von Herrn S., der sich hier beschweren möchte, wenn er sich wiederfindet.)

15. Februar 2018

Flucht in moderne Wissenschaftlichkeit

Zur praktischen Anwendung nach Ichkennihnjetzwohlgauss:
Wir haben hier in Berlin das Fahrrad zur Flucht und den fouquéschen Anhänger.

Man findet die Hausnummern nicht, denn die Straßen sind nur manchmal
eine Seite gerade, die andere ungerade gezählt. Viele der alten sind eine
Seite raufgezählt, die andere runter. U=förmig, Hufeisen. Wie lang ist die Straße?
Muss ich bis zum langen Ende radeln, oder kommt mir die hohe Hausnummer
gefällig auf der anderen Seite drei Häuser weiter entgegen?

Nach Gauss muss ich nicht bis ans andere Ende radeln, sondern auch wenn man
kreuzend die Straße mittig erreicht hatte, nur auf die andere Straßenseite
wechseln und die Nummern beider Seiten addieren.

Beispiel eine Seite 1 andere 1000, ist 1001, die Straße ist 500 Häuser lang.
17.Juni

2. Bsp. 1 und 38, die Straße ist 19 Häuser lang. Stindestraße.

Königstraße:
In der Mitte: 245 und  555, die Straße ist 400 Häuser lang.

Das lehrt einen der siebenjährige Gauss, wenn man sein Leben
lang schlagflüssig die Fassaden abgeradelt hatte.

Leider leider geht aus dem Falkplan nicht hervor an welchem
Ende sie anfängt zu zählen. Oder ich habs noch nicht gesehen.



Gauss glaubte an die Möglichkeit der Bewohnbarkeit des Mondes, er machte sich
Gedanken über die Kommunikation mit den Mondmenschen, er telegrafierte bereits
(vor Faraday).

"In einem Brief an Gauß vom 26. 1. 1802 berichtete von Zach
von Helligkeitsschwankungen der Ceres, kam aber nicht auf die Idee, dass es sich
dabei um den Rotationseffekt einer nicht überall gleichhellen Oberfläche handeln
könnte. Überhaupt war die Frage nach der physischen Beschaffenheit der Himmels-
körper damals von untergeordneter Bedeutung, denn es gab ja noch nicht die Spek-
troskopie, welche zusammen mit der Fotografie seit etwa 1860 den Schlüssel zur
Erforschung der Physik der Himmelskörper bis in die heutige Zeit hinein darstellt."

"Gauß hielt es nicht für völlig ausgeschlossen, dass der Mond bewohnt sein könnte,
und machte sich gegenüber seinem ehemaligen Lehrer Eberhard von Zimmermann
(1743–1815) Gedanken über Kommunikationsmöglichkeiten mit den hypothetischen
Mondbewohnern."

https://www.univerlag.uni-goettingen.de/bitstream/handle/3/isbn-978-3-930457-72-4/gbs_30.pdf?sequence=1

Gauss in einem Brief an Olbers.

"Nicht weniger interessant wäre die Frage über die Folgen, welche der Stoss
einer festen Masse von 2 — 10 Meilen im Durchmesser gegen die Erde
unter plausibeln Voraussetzungen für die Dichtigkeit und relative Ge-
schwindigkeit [derselben hätte].
Ich bin geneigt zu glauben, dass bei
einem Durchmesser von 10 Meilen ein Untergang des ganzen Menschen-
geschlechts auf dem festen Lande dadurch sehr wohl denkbar und
vielleicht auf Schiffen auf dem Weltmeere die einzige Rettung zu er-
warten wäre.

Vielleicht auch da nicht. Ist die von Cordier neulich wieder so
lebhaft unterstützte Behauptung wahr, dass in einer vergleichungsweise
gar nicht grossen Tiefe unter der Oberfläche schon alles im glühend-
geschmolzenen Zustande, also die feste Rinde gar nicht sehr dick
ist, so wird diese selbst von einem sehr kleinen Kometenkern ein-
brechen und zertrümmert werden, dadurch die Hölle gleichsam hervor-
brechen und alles zerstören und ins alte Chaos verwandeln. Wir beide,
lieber Olbers, und unsere Kinder können es aber noch geruhig ab-
warten.

Doch verzeihen Sie, lieber Olbers, diese Träumereien. "

Im Fouqué kommt Gauss nicht vor. Massenbach ruht sich ohne Gauss bei Olbers aus.

Fouqué war nach Schmidt ein erfolgloser Autor, der schrieb, wie er dachte, unzeitgemäß, und wäre es auch geblieben, nur durch die Missdeutung, Missinterpretation seines Publikums einer unsicheren Zeit hatte er Erfolg und wurde 1820 fallengelassen. Der Vorwurf wird der Person Fouqué gemacht, die für den Autor nicht zutrifft.

Mit modernen Problemen gibt Schmidt sich nur ab, soweit sie jemand (Massenbach oder Fouqués Zeitgenossen) (~ ±1700-) 1800-1850  vorhergesehen hat, und Schmidt stellt sich deren damalige Vorschläge zum nachgebildeten Heute zusammen.

[Ich erprobe abschließend Herrn Jürgensmeiers Programm und teste Schmidt auf "mathematischen" Gehalt, es liegt nicht in Schmidts literarischer Absicht uns diesen zu erhellen. In seinen möglichen Geschichtskonstellationen ist Schmidt unhistorisch wie jede Physik oder ein willkürliches mathematisches Modell, und wird sich nicht
deterministisch festlegen lassen. Ist das nun Feigheit?]

Schmidt ignoriert ab Fouqué die Wissenschaft der Reichskanzler (Hertz, Helmholtz, Bismarck) von ungefähr 1871 bis zu ihrem Ende. Oder die Gesamtschau ist schiefsymmetrisch und er hangelt sich von Trick zu Trick. Siehe Das Schmidtarno.




Bitte betrachten:
Jesus hat die Geldwechsler aus dem Tempel gehauen.

Im Tempel schufen die Tempeldienerinnen, Fachwort? (Vestalin), mit Hysterie Wirklichkeiten, wie heute an der Börse.

Financial kann man oben durch philosophical ersetzen und es ist Zustand bei den Konstruktivisten der Logik und den lokalen Feldtheoretikern mit endlicher Lichtgeschwindigkeit. Das alles ist, wie ich jetzt verstanden habe, trivial, der Mittelwert -(Gauss)-satz der Differential- und Integralrechnung, verallgemeinert.

Ich und Musil sind mit Gauss bei Ceres und Kepler mehr die Ferntheoretiker, wir wissen nicht, was zwischen Ceres, der Sonne und den störenden Planeten oder in der Liebe geschieht.

Die Nahwirker wissen das schon, bleiben aber mit Benn lokal. Die Nahwirkung wird mit der Ausbreitung eines Gerüchtes verglichen, von Paul Karlson, sehr anschaulich.

Das kann dann alles mit Gauss und literarisch mit Musil, Mach und Hertz abgerundet belegt werden.

 
Und dazu ist die ostdeutsche gierige Gerüchtementatliät gut geboten, es funktioniert noch.

Welcher Literat arbeitet mit Gerüchten? (Den Stil des empfohlenen Jergović, dantesche Hölle, habe ich inzwischen auch woanders wiederentdeckt (schon dagewesen). Pythagoras kommt in die christliche Hölle, nicht weil er in der Mathematik etwas richtig gemacht hat, sondern weil er mit seinen theoretischen Musikversuchen
die Musik versaut hat.)


Als Fouquéradler und Profitbankrotteur kommt der Wind, bei märkischen minus 15 Grad, immer von vorne und es geht immer bergauf, diese kleine Rechnung eines  eindimensionalen Rotors ist die seines nichtverschwindenden Umlaufintegrals, nicht der Silhouette sondernder Stellung des Radlers im Wind, am Hang, also soll Literatur Widerstand bieten, der Autor zwischen Leser und dessen Wunscherfüllung, der Weg im Buch erzeugt Widerstand, und ich fühle mich lebendig wie der weltergriffene Fisch auf dem Fahrrad.
 

30. Januar 2018

Antigonus und Philaminte

Jedes Kunstwerk muß exemplifizieren, den Gehalt haben, muß in seiner Einmaligkeit die Einheit und Universalität des Gesamtgeschehens aufweisen können. Wir wollen uns daher keiner zufällig durch die Zeitung oder von der Phantasie uns zugewehten Geschichte hingeben, sondern uns diese in bewußter Konstruktion selber herstellen. Annehmend, daß Begriffe mittlerer Allgemeinheit eine allseitige Fruchtbarkeit zeitigen, sei der Held im Mittelstande einer größern Provinzstadt, sagen wir etwa in der Person eines Gymnasialsupplenten lokalisiert. Soferne derselbe Mathematik und Physik unterrichtete, kann vorausgesetzt werden, daß er diesen Beruf aus einer kleinen Neigung und Begabung zur Auflösung näherer Probleme erwählt habe, denen er in eigenen Studienjahren mit schöner Hingabe, roten Ohren und einem kleinen Glücksgefühl im klopfenden Herzen oblegen haben dürfte, ohne allerdings die Erstellung weiterer und höherer Aufgaben und Prinzipien zu bedenken oder zu erstreben, wohl aber mit der Ablegung der Lehramtsprüfung einen logischen, definitiven und bürgerlichen Abschluß findend. Es paßt in den solcherart imaginierten Charakter, daß er die Formen des Lebens mit der gleichen Selbstverständlichkeit hinnehme wie die Formeln der Mathematik: beide als seiende Dinge, über deren Realität man sich keine weiteren Gedanken zu machen hätte, denen Fiktivität zuzumuten verwunderliche Schrulle wäre und deren einzige Problematik in gewissen Schwierigkeiten ihrer Kombinationsfähigkeit, das heißt Auflösbarkeit sich dartue. Die Einteilungsfähigkeit und -aufgabe der rechnerischen und erlebten Materie war ihm stete Sorge, aber auch interessiertes Vergnügen, und immer darauf erpicht, daß »es genau ausgehe«, hatte er zu den Fragen seiner sogenannten Wissenschaft dasselbe Verhältnis wie zu denen seiner Stundeneinteilung, seiner Geldsorgen und denen jener Lebensfreude, die ihn als solche gar nicht berührte, die er aber irgendwie mitzumachen sich verpflichtet fühlte, da sie von den Kollegen anerkannt wurde, mithin ein seiendes Ding darstelle, dessen Forderungen zu erfüllen waren. Er trank ohne sonderliches Behagen Bier, besuchte nachher das öffentliche Haus, hatte Wege zum Spezialarzte, gab Stunden, fuhr auf der Straßenbahn, stand im Laboratorium, fraß in den Ferien an Mutters Tisch, schwarze Nägel zierten seine Hände, rötlichblonde Haare seinen Kopf, von Ekel wußte er wenig, Linoleum schien ihm ein günstiger Bodenbelag.
Eine solche Existenz, vollständig determiniert von den Dingen einer ebenen Außenwelt, in der kleinbürgerlicher Hausrat und Maxwellsche Theorie einträchtig und paritätisch durcheinanderstehn, muß als Minimum von Persönlichkeit angesehn werden, so daß sich mit Recht die Frage erhebt, ob ein solches Non-Ich Gegenstand menschlichen, geschweige denn novellistischen Interesses sein dürfe, da man ja sonst ebensowohl die Geschichte irgend eines toten Dinges – sagen wir beispielsweise einer Schaufel – entwickeln könnte.
Dieser Einwand ist um so berechtigter, da nicht einzusehn ist, wie sich die Verhältnisse mit Ablegung der Lehramtsprüfung wesentlich ändern sollten. Wohl mußten im Kopfe des Helden – Namen tun nichts zur Sache, er heiße also Antigonus – doch auch irgend welche eigene Gedanken gewesen sein, umsomehr als die kleine Denkbegabung zur Mathematik unleugbar vorhanden war, aber sie blieben an das hier und jetzt Gegebene gebunden. Immerhin verdichtete sich dieses Denken zur Zeit der Examina zu gewissen Zukunftshoffnungen und vagen Bildern: er sah sich im eigenen Heim, sah, wenn auch ein wenig schwankend, das künftige Speisezimmer, aus dessen abendlichem Dunkel die Konturen eines schön geschnitzten Anrichteschrankes und der grünliche Schimmer des wohlgemusterten Linoleumfußbodens deutlicher sich abhoben. Auch ließ das Futurum exactum dieser Formungen ahnen, daß in jener Wohnung eine Hausfrau vorhanden zu sein haben werde, was jedoch alles, wie gesagt, schemenhaft blieb. Die Erheiratung einer Frau war ihm im Grunde genommen unvorstellbare Angelegenheit: wenn ihm auch beim Bilde der zukünftigen Hausfrau gewisse erotische Schwaden durchs Gehirn zogen und etwas in ihm meckerte, daß er deren Unterkleidung so genau kennen werde, mit allen Fleckchen und Löchern, wie seine eigene, wenn ihm also jenes Weib einmal als Mieder, einmal als Strumpfband angedeutet wurde – dies auszudrücken, vermöchte eine hierherzusetzende Illustration Kokoschkas – so war es ihm anderseits undenkbar, daß ein konkretes Mädchen oder Weib, mit dem man normale Dinge in normaler Syntax reden könnte, irgendeine sexuelle Sphäre hätte. Frauen, die sich mit derlei beschäftigten, standen völlig abseits, keinesfalls niedriger als jene, aber in einer völlig andern Welt, die mit der, in der man lebte, sprach und aß, nichts gemein hatte: sie waren andere Lebewesen fremdester Konstitution, die stumme oder zumindest unbekannteste irrationale Sprache redend sich vorzustellen ihm nahe lag. Denn wenn man – ohne auch gerade biervoll zu sein – zu diesen Frauen gelangte, so geschahn die Dinge mit großer zielbewußter Fixheit, und niemandem wäre es beigefallen, etwa über Staubtücher – wie seine Mutter – oder über diophantische Gleichungen – wie die Kolleginnen – zu reden. Es erschien ihm daher unerklärlich, daß es je einen Obergang geben könne von diesen rein objektiven Themen zu jenen subjektiven, es war ihm dies ein Hiatus, dessen Entweder-Oder (ein Urquell alles Sexualmoralismus) sich übrigens gleicherweise in der Wedekindschen Psyche leicht aufweisen läßt.
Wenn wir also Antigonus in die Konstruktion einer erotischen Begebenheit hineinsetzen wollten, so dürfte sich die Möglichkeit ergeben, daß er im Dilemma seiner Determinanten jene voluntaristische Entscheidungsfähigkeit eines verantwortlichen Ichs erlange, die ihn zu novellistischer Heldenhaftigkeit eben doch berechtigen würde.
Vorderhand geschah natürlich nichts dergleichen. Antigonus legte die Examina ab, erhielt eine Supplentenstelle mit dem Auftrage, sein nunmehr abgeschlossenes Wissen weiterzugeben, was ihm unschwer gelang, denn dieses war ihm, wie bereits berichtet, in keiner Weise persönliche Angelegenheit, sondern eben ein Paket, das nunmehr säuberlich abgeschnürt und handlich sowohl dorthin als daher gelegt werden konnte. Aus der gleichen Vorstellung heraus gab er dem Schüler kleine Paketchen seines Wissens, und dieser mußte sie ihm in Gestalt von Prüfungsergebnissen wieder zurückgeben. Wußte der Schüler nichts zu antworten, so bildete sich Antigonus die wenn auch nicht klare Meinung, jener wolle ihm sein Leihgut vorenthalten, schalt ihn als verstockt und war solcherart mit einem gewissen Temperamente an seinem Berufe beteiligt. Hatten die Schüler sein Wissen zur Leih, so war ihm jedes Klassenzimmer, in dem er unterrichtete, bald Aufbewahrungsort eines Stücks seines Ichs, gleich wie der Kasten in seinem kleinen Monatszimmer, der seine Kleider beherbergte und die er sinngemäß als ebensolche Teile selbigen Ichs rechnete. Fand er in der Tertia seine Wahrscheinlichkeitsrechnung, zu Hause im Waschtisch seine Schuhe vor, so fühlte er sich unzweideutigerweise der Umwelt gegeben und verknüpft.
Solches Leben währte einige Jahre. Hierauf trat die von uns als notwendig vorweggenommene erotische Erschütterung ein. Um nicht fernab zu schweifen, gesellen wir Antigonus ein naheliegendes Komplement bei, nämlich seiner Hauswirtin Töchterlein, das einem meiner Freunde zuliebe Philaminthe genannt sei.

Es entsprach der Weibauffassung des Antigonus, jahrelang ohne irgendeinen Wunschgedanken neben einem Mädchen einherleben zu können. Ob dieses Negativum auch der Wesenheit des Mädchens entsprochen hatte, bleibt eigentlich irrelevant, denn Antigonus wäre sicherlich nicht der Mensch gewesen, ihr bürgerliches Seufzen zu verstehn, und da es ohne männlichen Angriff eben meistens nicht geht, so wäre ihr Begehren gewißlich in Kürze eingeschlafen. Es ist daher anzunehmen, daß Philaminthes Phantasie, gleichgültig ob sie sich jemals mit Antigonus befaßt hätte oder nicht, auf auswärtige Objekte gerichtet war, und man wird nicht fehl gehn, ihr romantischen Charakter zuzusprechen. Es ist beispielsweise in kleinern Städten üblich, täglich den Bahnhof zu besuchen, um den durchfahrenden Schnellzug anzustaunen, einer Sitte, der Philaminthe gerne folgte. Wie leicht ist es nun möglich, daß ein junger Herr, am Fenster des abrollenden Zuges stehend, dem nicht unhübschen Dinge zugerufen hätte: »Komm doch mit«, eine Begebenheit, die Philaminthe fürs erste in einen blöde lächelnden Pfahl verwandelt hätte, der nur mit schweren Füßen nach Hause gelangte, nachts aber sie von nun an immer häufiger träumen ließ, daß sie mit müden, ach so müden Beinen enteilenden Zügen nachzulaufen hätte, die auf Griffweite erlangbar in nichts versanken; blickte sie dann tagsüber von der Näherei auf, stundenlang den aufreizend unvollkommenen Zickzackflug der Fliegen um die Stubenlampe verfolgend, so erstand jene Bahnhofszene aufs Neue: es wurde ihr deutlich, daß sie wohl noch auf den abfahrenden Zug aufspringen, vielleicht eine rührende Verletzung bei diesem kühnen Sprunge davontragen hätte können, um sodann gebettet auf den weichen Polstern der I. Klasse und handgehalten von ihm in die dunkle Nacht hinauszufahren; Schaffner hätte sich, nachdem er Buße für die fehlende Fahrkarte samt reichlichem Trinkgeld erhalten, unterwürfig zurückgezogen, und es blieb nur offen zu überlegen, ob im entscheidenden Augenblicke die Notbremse ihrer Ehre erreichbar gewesen wäre oder nicht, da beide Alternativen atembeklemmende Möglichkeiten boten. In solcher Sphäre lebend, hatte sie also wenig Sinn für Antigonus, denn wenn sie auch nicht seine grau-gestrickten Socken, die sie ausbesserte, gestört hätten – auch den Schnellzugsgeliebten würde sie wohl nicht anders als grausockig präzisiert haben, wenn sie sich die Frage überhaupt vorgelegt hätte –, so stand doch fest, daß Antigonus seine Sonntagsausflüge mit Rucksack und Gamsbart IV. Klasse besorgte, und selbst der Hinweis auf die Pensionsfähigkeit seiner Laufbahn hätte nicht vermocht, ihr Blut rascher fließen zu lassen.
So versteht es sich, daß diese beiden Menschen nur aus raumzeitlicher Zufälligkeit aneinander geraten konnten, daß in grob-materialer Dunkelheit sich ihre Hände aus wirklichem Zufall begegneten und daß das Begehren, das jäh zwischen Männer- und Frauenhand da emporflammte, zu ihren eigensten Erstaunen es tat. Sie sprach die reinste« Wahrheit, als sie, an seinem Halse hängend, wiederholte: »ich wußte ja nicht, daß ich dich so lieb habe«, denn das konnte sie vorher wahrlich nicht wissen.
Antigonus fand sich durch den neuen Sachverhalt einigermaßen beunruhigt. Er hatte nun den Mund stets voll Küssen, und stets sah er die Türwinkeln ihrer Umarmungen, die Bodenstiege ihrer raschen Zusammenkünfte vor sich. Schläfrige Pausen erlebte er am Katheder sitzend, kam mit dem Lehrstoffe nur ruckweise vorwärts, hörte den Prüflingen nur zerstreut zu und schrieb indessen »Philaminthe« oder »ich habe dich lieb« aufs Löschblatt, dies jedoch keinesfalls in normaler Buchstabenfolge, sondern er verteilte, damit des Herzens Geheimnis sich nicht verrate, die Buchstaben nach willkürlich erklügeltem Schlüssel über das ganze Löschblatt, wobei die nachträgliche Wiederzusammensetzung der magischen Worte ein zweites Vergnügen an ihnen darstellte.
Wenn er dabei Philaminthes über alle Maßen gedachte, so sah er sie allerdings nur in ihrer flüchtigen Geschlechtsbereitschaft. Hinter den Türen Geliebte, in der Öffentlichkeit neutrale Gesprächspartnerin – das heißt, man sprach vom Essen und der Häuslichkeit –, war ihm das Mädchen doppeltes Lebewesen geworden, und während er des einen Namen sehnend aufs Löschpapier malte, war ihm das andre gleichgültig wie ein Möbelstück.
Philaminthe, dieserhalb weniger punktuell veranlagt, faßte eines Tages ihre Erkenntnis in die glücklich gefundenen, glücklich gewählten Worte: »Du liebst nur meinen Körper«, und wenn sie auch zwar nicht recht wußte, was sonst Liebenswertes an ihr zu finden wäre, ja wenn sie sich – und da kann Wedekind wieder als Zeuge angerufen werden – auch wahrscheinlich jede andre Art Liebe verwundert verbeten hätte, so war dies weder ihr noch ihm bekannt, und beide empfanden die aufgeworfene Tatsache als Kränkung.
Antigonus nahm sichs zu Herzen. Hatte ihr Liebesspiel bis jetzt erst nachmittags begonnen, wenn er aus der Schule heimkehrte und die Mutter ausgegangen war, während stiller Übereinkunft gemäß der Morgenstunden relative Ungewaschenheit von dieser ästhetischem amourösen Tätigkeit ausgeschlossen geblieben war, so bemühte er sich nunmehr, die Universalität seines Liebens durch dessen Ausdehnung auf sämtliche Tagesstunden zu beweisen. Nie verabsäumte er in der Folge, den ihm knapp vor dem Schulgange gebrachten Kaffee rasch schlürfend, ihr einige innige und leidenschaftliche Worte zuzuraunen, und die Zusammenkünfte auf der Bodenstiege, früher bloß ein eilendes und ununterbrochenes Finden von Mund zu Mund, wurden nun vielfach zu einem sinnigen, stummen Aneinanderpressen und Handverschränken verwendet. Auch sie schien Zugang zu seinem Geiste zu suchen: korrigierte er abends seine Hefte und waren sie allein zu Hause, so wurde diese Zeit oft nicht mehr zu tollen Umarmungen verwendet, sondern sie nötigte ihn bei seiner Arbeit zu bleiben, die er unter der Petroleumlampe am Speisezimmertische ausführte, räumte inzwischen im Halbdunkel beim schöngeschnitzten Anrichteschranke und kam nur manchmal zu ihm, seinen blonden unter der Lampe gebeugten Scheitel, der wenigen Haarschuppen nicht achtend, zu küssen oder, Hand auf seiner Schulter oder Schenkel ruhend, sich still und traulich zu ihm zu setzen.
Wir wollen nicht rechten, ob die Mutter im Hinblick auf seine Pensionsfähigkeit häufig genug abwesend war, denn weder Antigonus noch Philaminthe dachten in ihren Seufzern vorderhand an bürgerlichen Segen, vielmehr hegten sie eine panische Furcht vor plötzlicher Heimkehr der Alten, hatten für diesen Augenblick immer einen genau festgelegten Sitz- und Beschäftigungsplan parat, um den Kupplerblick, soferne die abgearbeitete Alte einen solchen gehabt hätte, was aber schließlich doch nicht unwahrscheinlich gewesen wäre, mit Harmlosigkeit aufzufangen.
Es war also keineswegs Angst vor der Ehe, deren Joch er in seiner Liebesbereitschaft sogar willig akzeptiert hätte, die ihn in einen Zustand des Unbehagens brachte, sondern wir müssen, soferne wir die Setzung dieses Unbehagens gelten lassen, uns der schematischen Weibauffassung erinnern, in der Antigonus früher lebte, um zu verstehn, daß ihm die neue Sachlage nicht sonderlich adäquat sein konnte und daß sich Komplikationen ergeben werden. Es könnte beispielsweise Antigonus an seiner steten Aufgabe zur Gefühlssteigerung, an seiner unausgesetzten Spannung, das »ich-hab-dich-lieb«, das beim ersten Kusse zwar erstaunlich aber immerhin einfach ins Wort trat, jetzt mit einem Pathos erfüllen zu müssen, dessen Arsenal keineswegs einfach zu handhaben war, glattweg ermüden und sich aus seiner komplizierten Hingabe nach jenen einfachen und ruhigen Formen der Liebe sehnen, die einst die ausschließlichen für ihn waren; ein Augenblick der Hemmungslosigkeit könnte bald eintreten, und Antigonus würde fliegenden Pulses zum Ziel der Sehnsucht seiner niedrigen Lüste enteilen, um allerdings allsobald, im gleichen Tempo und in schweigender Angst vor dem Spezialarzte, zu Philaminthe zurückzujagen, die Sprachlose mit der Erzählung einer romantischen Verführung – die Frau eines Generals zog ihn in ihr Haus und Schlafgemach – imponierend zu überrumpeln. Wir wollen den sich anschließenden atemlosen Dialog Heinrich Mann überlassen und uns nach andern Kombinations- und Entwicklungsmöglichkeiten umsehn.
Antigonus malte nach wie vor Philaminthes Namen auf Löschblätter, doch ohne Teilnahme, setzte das Wort auch nicht wieder aus kunstreicher Zersplitterung zusammen, sondern verfolgte mit gereizter Aufmerksamkeit die Schüler, die weniger denn je wußten. Die Anspannung seiner Gefühle hatte ihm den Begriff des Seienden verschoben: lag es früher in seinem kleinen Wissen, das er mit den Schülern tauschte, in den Kleidern, die er in bestimmter Ordnung anlegte, in der pflichtgemäßen Rangordnung, in der er mit Vorgesetzten und Gleichgestellten zu verkehren hatte, so hatten diese unzweifelhaft berechtigten Belange nunmehr unliebsamerweise in seinem Ich keinen Platz mehr: Philaminthens Aufgaben, die er eben wie jede andere voll auf sich genommen hatte, war eine Unendliche, denn mehr als ihren Körper lieben, hieß nach einem unendlich fernen Punkte streben, und dies zu vollziehen, bedurfte es aller Kräfte der armen, erdgebundenen Seele. Und muß diese das aufgeben, was ihr wirkliche Welt bedeutete, also ihr ausgebreitetes metaphysisches Werterlebnis, so ist sie leicht geneigt, nicht nur sich selbst, sondern auch das ganze wunderbare Phänomen ihres bewußten Seinsbestandes zu entwerten und zu negieren.
Alles Unendliche ist einmalig und einzig. Und da des Antigonus Liebe sich bis ins Unendliche projizierte, wollte sie auch einzig und einmalig sein. Dem aber stand die Bedingtheit ihres Werdens gegenüber. Nicht nur, daß er zufällig gerade an das Gymnasium dieser kleinen Stadt versetzt wurde, nicht nur, daß er zufällig gerade bei Philaminthens Mutter Zimmerherr werden mußte: es war die wahllose Zufälligkeit des so plötzlich perfektionierten Liebesbeginns, die er nunmehr als Ungeheuerlichkeit empfand, und die Erkenntnis, daß das Begehren, das damals zu ihrem Erstaunen in ihren Händen emporschoß, das gleiche sei, das er in den Armen jener Frauen erlebte, die er jetzt als Huren beschimpfte. Doch hätte er sich über diesen Mangel an Einmaligkeit, so sehr er ihn auch wirklich schmerzte, von seiner Seite schließlich hinweggesetzt, wenn er ihn nicht folgerichtigerweise auch bei Philaminthen hypostasieren hätte müssen. Denn das Subjekt kann in seinem Streben nach Unendlichkeit zu eigenerlebter, einmaliger Universalität vielleicht wachsen, seinen objektiven Gegenpol zu gleicher Größe zu erweitern, bedarf es aber einer Phantasie, die wohl Dante, jedoch kaum Gabriel Rossetti, zum wenigsten Antigonus, aufbrachte. Dies heißt aber, daß er die Flamme des Begehrens stets um Philaminthens Händen sah und, obwohl ihrer Treue sicher, an der Möglichkeit ihrer Untreue leiden mußte und sicherlich tiefer als er es in jedem materialen Fall vermocht hätte.
So wurde er nicht nur in der Schule unleidlich, sondern auch dem Mädchen gegenüber. Setzte sie sich, ihrer Gartenlaubenhabitüde folgend, traulich zu ihm, so riß er sie manchmal an sich, biß ihr die Lippen wund, um sie einandermal wieder ungelenk wegzustoßen; kurz, er äußerte alle Ungezogenheiten der Eifersucht in ihrer rüpelhaftesten Form. – Es muß eigentlich nicht eigens erzählt werden, denn es versteht sich von selbst, daß Philaminthe schon längst, in Mutters Eßzimmer, Antigonus' Geliebte geworden war. Wenn sie damals ihre letzte Gunst, wie sie das nannte, was in Ansehung des von allem Anfang an als selbstverständlich Gewährten eher als symbolische Besitzergreifung zu bezeichnen wäre, wenn sie diese letzte Gunst auch lange hintangehalten und sich eigentlich erst gegeben hatte, als er, um ihr eben zu beweisen, wie seelisch er liebe, keinerlei diesbezügliche Wünsche und Gesten mehr äußerte, so lag es jetzt auf dem Wege ihrer gradlinigen Phantasie, daß sie, keiner Schuld sich bewußt, die Krise, die sie mit Verständnislosigkeit an ihm bemerkte, durch die verpönte körperliche Liebe zu heilen suchte, ihm eifrig das entgegenbringend, was sie sonst, schelmisch erhobenen Fingers, ihm so gern verzögerte. Die Arme! sie wußte nicht, daß sie damit nur Öl ins Feuer goß. Denn wenn Antigonus die sogenannte Gunst auch nicht verschmähte, so war es nachher um so ärger, denn umso klarsichtiger erkannte er, daß das ihm Geschenkte ebensowohl und mit gleicher Leidenschaft jedem andern hätte zu Teil werden können.
Er hatte sich nie mit andern verglichen, hatte stets seinen Unwert nur an der Unendlichkeit seiner Aufgabe gemessen. Nun sah er auch mit Schrecken, daß eine Unzahl junger und eleganter Männer durch die frühsommerlichen Straßen sich bewegten, und nie verließ ihn mehr der Gedanke, daß jene mit Leichtigkeit und im Meßbaren bleibend, lächelnd über ihn, den Über-sich-ausholenden, nicht nur Philaminthens, nein aller Frauen Liebe genössen, die allesamt für ihn bis jetzt unberührbar, doch nichts anderes seien als schlechte Weiber.
Zu ihr zurückkehrend, würgte er sie am Halse mit der Motivierung, niemand, hörst du, niemand könne und werde sie je so lieben wie er, und die Tränen des entsetzt geschmeichelten Mädchens, dessen romantischer Sinn die Situation bejahte, flossen mit den seinen zusammen, beschließend, daß nur der Tod von solcher Qual erlösen könne.
Philaminthens Phantasie nahm das Wort des Sterbens auf und wandelte die Vorzüge der Todesarten ab. Die ungestümen Formen ihrer Liebe forderten ein großes Ende, und sie hätte sich nicht gewundert, hätte ihnen Edschmid 16 gedungene Mörder auf den Leib geschickt. Da dies jedoch nicht geschah und sich auch nicht die Erde zu erwünschtem Beben öffnete, noch der Hügel vor der Stadt Lava zu speien anfing, vielmehr Antigonus trotz schmerzverzerrter Miene täglich zur Schule wandelte und sie schon voll blauer Flecke war, vermochte sie ihn, ein Ende zu bereiten, daß er einen Revolver erstünde. Er fühlte, und wir, die wir es herbeiführen, mit ihm, daß damit die Würfel gefallen seien. Mit trockenem Munde, feuchten Händen betrat er das Waffengeschäft, stotternd das Verlangte bezeichnend und gleich sich entschuldigend, daß er solches zu seiner Verteidigung auf einsamen Wanderungen benötige. Mehrere Tage hielt er seinen Kauf verborgen, und erst, als sie, eines Morgens den Kaffee bringend, ihm mit zurückgeworfenem Kopfe zuflüsterte: »Sage mir, daß du mich liebst«, legte er ihr zum Beweise die Waffe auf den Tisch.
Nun erfolgten die Dinge mit großer Eile. Den nächsten Sonntag trafen sie sich, sie einen Besuch bei einer Freundin vorschützend, wie so oft, im Nachbarorte zu gemeinsamer Wanderung. Ein letztes Mal sich in den Armen zu ruhen, hatten sie einen verschwiegenen Waldplatz mit schöner Fernsicht auf Berg und Tal gewählt, dem sie nun zustrebten. Aber der Blick, dessen Weite sie sonst als schön bezeichneten, sagte ihnen in ihrer Beklommenheit nichts mehr. Sie durchstreiften bis in die Nachmittagsstunden ziellos den Wald, hungrig, da das Essen nicht zum Tode paßte, und ruhten endlich wahllos und erschöpft zwischen den Büschen. »Es muß sein«, meinte Philaminthe, und Antigonus zog die Waffe hervor, lud sie behutsam, legte sie vorsichtig neben sich nieder. »Tu's rasch«, befahl sie und schloß in letztem Kusse die Arme um seinen Hals.
Über ihnen rauschten die Bäume, Licht brach in kleinen Flecken durch leichtbewegte Buchenblätter, und weniges sah man vom wolkenlosen Himmel. Der Hand erreichbar lag der Tod, man mußte ihn bloß aufnehmen, jetzt oder in zwei Minuten oder in fünf, man war völlig frei, und der Sommertag war zu Neige, ehe ihn die Sonne verblaßte. In einer einzigen Handbewegung konnte man die Vielheit der Welt erledigen, und Antigonus empfand, daß sich eine neue und wesentliche Spannung zwischen ihm und jenem Komplexe auftat. Der Freiheit eines einigen und einfachen Entschlusses gegenüber wurde auch dessen Willensobjekt zur Einheit, wurde rund und schloß sich in sich, handlich in seiner Totalität wurde es problemlos und ein Wissen der Ganzheit, wartend, daß er es aufnehme oder wegstelle. Eine Struktur absolut ausgehender Ordnung, gelöster Klarheit, höchster Realität ergab sich, und es wurde sehr licht in ihm. Fernab rückte der Totaleindruck der Welt, und mit ihm versank das Gesicht des Mädchens unter ihm, doch verschwanden sie keineswegs völlig; vielmehr fühlte er sich jener Weltlichkeit und dem Weibe intensiver gegeben und verknüpft denn je, erkannte sie weit über jede Lust hinaus. Sterne kreisten über dem Erleben, und durch den Fixsternhimmel hindurch sah er Welten neuer Zentralsonnen im Gesetze seines Wissens kreisen. Sein Wissen war nicht mehr im Denken des Kopfes; erst glaubte er die Erleuchtung im Herzen zu fühlen, aber sie dehnte sich, sein Ich mitweitend, über ihn hinaus, floß zu den Sternen und wieder zurück, erglühte in ihm und kühlte in sehr wundersamer Milde, öffnete sich und wurde zu unendlichem Kusse, empfangen von den Lippen der Frau, die er als Teil seiner selbst und doch schwebend in maßloser Entfernung erfaßte und erkannte. Denn das Ziel des Eros ist das Absolute, das erreicht wird, wenn das Ich seine brückenlose, hoffnungslose Einsamkeit und Idealität, über sich und seine Erdgebundenheit hinauswachsend, dennoch durchbricht, sich abscheidet und im Ewigen Zeit und Raum hinter sich lassend die Freiheit an sich erwirbt. Im Unendlichen sich treffend, gleich der Geraden, die sich zu ewigem Kreise schließt, vereinigte sich die Erkenntnis des Antigonus: »Ich bin das All« mit der des Weibes: »Ich gehe im All auf« zu letztem Lebenssinn. Denn für Philaminthen, im Moose ruhend, erhob sich das Antlitz des Mannes zu immer weitern Fernen und drang dennoch immer tiefer in ihre Seele, verschmolz mit dem Rauschen des Waldes und dem Knistern des Holzes, mit dem Summen der Mücken und dem Pfiff der Lokomotive zu einem rührenden und beseligenden Schmerze der vollkommenen Geheimnisenthüllung eines empfangenden und gebärenden Wissen des Lebens. Und während sie die Grenzenlosigkeit ihres wachsenden und erkennenden Fühlens entzückte, war ihre letzte Angst, solches nicht festhalten zu können: geschlossenen Auges sah sie vor sich, vom Rauschen und von Sternen umgeben, das Haupt des Antigonus, und ihn lächelnd von sich haltend, traf sie sein Herz, dessen Blut sich mit ihrer Schläfe vermischte. – – Es ist der anmaßende Irrtum der Naturalisten, daß sie den Menschen aus Milieu, Stimmung, Psychologie und ähnlichen Ingredenzien eindeutig determinieren zu können vermeinen. Wir wollen uns hier mit der materialistischen Beschränktheit nicht auseinandersetzen und bloß anmerken, daß der Weg Philaminthens und Antigonus wohl zur Ekstase hätte führen können, um in ihr den unendlich fernen Punkt eines außerhalb der Leiblichkeit und doch in ihr eingeschlossenen Liebeszieles zu finden. Da aber, wie gesagt, das Menschliche keineswegs eindeutig ist, so ist immerhin auch anzunehmen möglich, daß der Weg vom Schäbigen ins Ewige für Antigonus und Philaminthe vorzeitig abgebrochen worden wäre. Wenn auch die Todesbereitschaft als solche eine gewisse Katharsis bildet, deren logische Lösung und Folge als eine kleine spießbürgerliche Befreiung ihrer armen Seelen zu denken ist, als eine Festigung der Seinsanschauung aus Labilität ihrer kleinen Qual, so wäre, nachdem sich die Dinge zwischen den Gebüschen eben bloß in gewohnt plumper Ungelenkheit vollzogen hätten, nichts andres übrig geblieben als das soi disant natürliche Ende. Spät abends hätten dann Antigonus und Philaminthe den letzten Zug erreicht, um einem Brautpaare schon gleich in einem Wagen erster Klasse, Hand in Hand, der Heimat zuzueilen. Würden Hand in Hand vor die ängstlich harrende und erschreckte Mutter hintreten, und pathetischen Gestus des Nachmittages beibehaltend kniet der Pensionsfähige auf dem grünlich schimmernden Linoleumboden nieder, den mütterlichen Segen zu empfangen.
Jedes Kunstwerk muß exemplifizierenden Gehalt haben, muß in seiner Einmaligkeit, die noch durchaus nicht Eindeutigkeit sein muß, die Einheit und Universalität des Gesamtgeschehens aufweisen können. Wir haben uns nichts vorgeflunkert, haben unsre Geschichte nach ihren Möglichkeiten hin durchdacht und darnach gemeinsam konstruiert. Wir wollen uns gegenseitig nichts vormachen, wir wollen uns aber auch nicht verhehlen, daß unsre Geschichte sehr schön ist. 

Von Franz Blei.
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