Labels

abram terz aerztepfusch afrika agnostizismus alkohol alles anarchie arbeit archaeologie aristophanes arno schmidt asteroid atheismus atom auftrag automne Barer80 beckett bernhard bernsteinaugen bestiarium betonieren bismarck blind bluemchen bohemia böhmisch bonaparte Boris Vian brecht brechung brigitte hamann brownsche bewegung bruch buchdeckel buergi bus cafe chateaubriand clark terry cooper daemonen dehnung die fremden diotima doderer dunkle materie eichinvarianz einstein ellington erkennen erotik etym evidenzbüro explosiv faltenwurf fass fermat ferne fische fliegen fontane Form fouque franco franzblei gaensebluemchen gasli gauss gefuehl generator gewerkschaft glueck goethe gott würfelt gradient gratis guertel gurke hamiltonsches prinzip hampelmann hausmeister heimat heisenberg herbst hermite herr fischer hezekiel Himmel hoelderlin hoererin holzfaellen holzfällen hysterie ig farben ishiguro james williams jazz jean paul jungfrau Kant Karl Hagemeister käthchen kauff keilschrift kepler kierkegaard kleist Klopstock kommentar konstruktivismus kosmologie krieg kriegsdienstverweigerer kuk Kundenreaktionen laster Licht- und Schattenton liebe lilienthal lilienthal 1801 lobby logarithmus logik lyrik maennlich massenbach matrix may mehrwert menschenrechte methode der kleinsten fehlerquadrate mikroperverrs Monade mord mulgrew miller müll reden musil nachrede nackig naehe naehe ferne richtung nat king cole naumann newborn niebelschütz nivea oel oersted pedersen oetv olbers oppermann organisation orpheus paris partei party peking peter hacks pflicht philologie physik plagiat planetoid plasma pocahontas poetik positiv preussen privatier programm prolet prony prosa rathenau rechner revolution rhetorik rhythmus richtung ringelnatz rio reiser roda roda rotverschiebung schach schauerfeld schnabel schroeter schulden schwarzes loch seume simenon sirene Socialist sommerfeld sozialismus Spatz spontan sprachzerstörung standardmodell stifter störche strayhorn streik suche sucht sukultur suttner swing symmetrie technik telegrafenmast terror thermodynamik Thomas Mann timmons tortilla trance traum triage triage trivium trivium turing u-bahn unernst ungenau untergrund vega verbrecher virgen virialsatz voegelchen wahrheit wasserstraße wehner welle wieland willen windmuehlen wittgenstein wolf wollen woolf wunderchen würfel zeitfaltung zeitung zettel zettels traum zirkulär zufall zuse zweischneidig

2. Mai 2018

Dr. Puschs Normalnovelle

Unter den Hochzeitsgästen hatte sich, wie schon kurz erwähnt, auch ein Doktor Pusch befunden, ein gewandter und durchaus weltmännisch wirkender Herr mit gepflegtem, aber schon angegrautem Backenbart. Er war vor etwa fünfundzwanzig Jahren an der Assessorecke gescheitert und hatte damals nicht Lust gehabt, sich ein zweites Mal in die Zwickmühle nehmen zu lassen. »Das Studium der Juristerei ist langweilig und die Karriere hinterher miserabel« so war er denn als Korrespondent für eine große rheinische Zeitung nach England gegangen und hatte sich dort auf der deutschen Botschaft einzuführen gewußt. Das ging so durch Jahre. Ziemlich um dieselbe Zeit aber, wo der alte Graf seine Londoner Stellung aufgab, war auch Doktor Pusch wieder flügge geworden und hatte sich nach Amerika hinüber begeben. Er fand indessen das Freie dort freier, als ihm lieb war, und kehrte sehr bald, nachdem er es erst in Newyork, dann in Chikago versucht hatte, nach Europa zurück. Und zwar nach Deutschland. »Wo soll man am Ende leben?« Unter dieser Betrachtung nahm er schließlich in Berlin wieder seinen Wohnsitz. Er war ungeniert von Natur und ein klein wenig überheblich. Als wichtigstes Ereignis seiner letzten sieben Jahre galt ihm sein Übertritt vom Pilsener zum Weihenstephan. »Sehen Sie, meine Herren, vom Weihenstephan zum Pilsener, das kann jeder; aber das Umgekehrte, das ist was. Chinesen werden christlich, gut. Aber wenn ein Christ ein Chinese wird, das ist doch immer noch eine Sache von Belang.«

...

»Nein, Herr von Szilagy, so tief ließ mich die Gnade nicht sinken. Aber ich treibe mein Wesen über dem Strich, und wenn man so Wand an Wand wohnt, da weiß man doch einigermaßen, wie's bei dem Nachbar aussieht. Ach, und außerdem, wie so mancher hat mir sein Herz ausgeschüttet und mir dabei seine liebe Not geklagt! Wer's nicht leicht nimmt, der ist verloren. Roman, Erzählung, Kriminalgeschichte. Jeder, der der großen Masse genügen will, muß ein Loch zurückstecken. Und wenn er das redlich getan hat, dann immer noch eins. Es gibt eine Normalnovelle. Etwa so: tiefverschuldeter adeliger Assessor und ›Sommerleutnant‹ liebt Gouvernante von stupender Tugend, so stupende, daß sie, wenn geprüft, selbst auf diesem schwierigsten Gebiete bestehen würde. Plötzlich aber ist ein alter Onkel da, der den halb entgleisten Neffen an eine reiche Cousine standesgemäß zu verheiraten wünscht. Höhe der Situation! Drohendster Konflikt. Aber in diesem bedrängten Moment entsagt die Cousine nicht nur, sondern vermacht ihrer Rivalin auch ihr Gesamtvermögen. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie heute noch... Ja, Herr von Szilagy, wollen Sie damit konkurrieren?«

Und so auch, meine Herren, wenn ich von moderner Literatur spreche. Herr von Szilagy, den wir so glücklich sind, unter uns zu sehn, soll aufgerichtet, seine Seele soll mit neuem Vertrauen erfüllt werden. Oder aber mit Heiterkeit, was noch besser ist. Er soll wieder lachen können. Und wenn man solche Wirkung erzielen will, ja, dann muß man eben deutlich und zugleich etwas phantastisch sprechen. Indessen auch ernsthaft angesehen, wie steht es denn mit der Herstellung (ich vermeide mit Vorbedacht das Wort Schöpfung,) oder gar mit dem Verschleiß der meisten dieser Dinge! Lassen Sie mich in einem Bilde sprechen. Da haben wir jetzt in unsern Blumenläden allerlei Kränze, voran den aus Eichenlaub und Lorbeer bestehenden und meist noch behufs besserer Dauerbarkeit auf eine herzhafte Weidenrute geflochtenen Urkranz. Und nun treten Sie, je nach der Situation, an die sich Ihnen mit betrübter oder auch mit lächelnder Miene nähernde Kranzbinderin heran, um zu Begräbnis oder Trauung Ihre Bestellung zu machen, zu drei Mark oder zu fünf oder zu zehn. Und genau dieser Bestellung entsprechend, werden in den vorgeschilderten Urkranz etliche Georginen oder Teichrosen eingebunden und bei stattgehabter Höchstbewilligung sogar eine Orchidee von ganz unglaublicher Form und Farbe.«
»Kenne die Orchidee«, rief Wrschowitz in höchster Ekstase, »lila mit gelb.«
Pusch nickte, zugleich in steigendem Übermut fortfahrend: »Und genau so mit der Urnovelle. Die liegt fertig da wie der Urkranz; nichts fehlt als der Aufputz, der nunmehr freundschaftlich verabredet wird. Bei Höchstbewilligung wird ein Verstoß gegen die Sittlichkeit eingeflochten. Das ist dann die große Orchidee, lila mit gelb, wie Freund Wrschowitz sehr richtig hervorgehoben hat.«

Fontane, Der Stechlin, 34. Kapitel.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Blogverzeichnis - Bloggerei.de