Als ich den Wald verließ, lag die angenehmste Landschaft vor mir
ausgebreitet; Wiesen, von Hecken umgeben; ein See; ein Dorf im Dunst der
Ferne. Die Nacht war schwül gewesen; der Tag wurde es noch mehr. Die
Schwalben flogen tief; und eine graue Wolke, wie ein Sack voll Bohnen,
stand lauernd am Horizont. Die Sonne verfinsterte sich; ein Schatten
machte sich über der Gegend breit; die Wolke, nunmehr mit einer langen,
gelblichen Schleppe geziert, war drohend heraufgestiegen. In ihrem
Inneren grollte es bereits; ein Wind erhob sich, und dann kam rauschend
und prasselnd die ganze Bescherung.
In der Wiese, wo ich mich befand, war Heu gemacht; an der
Hecke bemerkt ich eine kleine Hütte von Zweigen; ich schlüpfte
spornstreichs hinein.
So geht's, wenn man nicht erst zusieht! Ich fiel direkt
in zwei offene Weiberarme und wurde auch umgehend so heftig gedrückt
und abgeküßt, daß ich, der so was nicht gewohnt war, in die peinlichste
Angst geriet.
»Hö! Höh!« schrie ich aus Leibeskräften. »Satan, laß los!«
Gleichzeitig schlug ein blendender Blitz in den
nächstliegenden Heuhaufen, und ein Donnergepolter folgte nach, als wäre
das Weltall von der Treppe gefallen.
Meine zärtliche Unbekannte ließ mich los und sprang vor die Hütte.
»Ätsch! Fehlgeschossen! Hier saß ich!« rief sie spottend
in die Wolken hinauf und dann tanzte sie lachend um den brennenden
Heuschober.
Die blitzenden Zähne; das schwarze Haar, durchflochten
mit goldenen Münzen; unter dem grauen, flatternden Röcklein die
zierlichen Füße; dies alles, kann ich wohl sagen, schien mir äußerst
bemerkenswert.
Mit dem letzten Krach war das Wetter vorübergezogen.
Vergnüglich und unbefangen, als sei zwischen uns beiden nichts
vorgefallen, setzte sich das Mädel wieder zu mir in die Hütte. Sie
machte die Schürze auf. Es waren gedörrte Birnen drin, meine
Lieblingsfrüchte, und als ich sie essen sah, wollt ich auch zulangen.
Aber jedesmal kniff sie die Knie zusammen, zischte mich an und gab mir
neckisch einen Knips vor die Nase. Schließlich erwischt ich doch eine
beim Stiel. Sofort krümmte sich diese Birne und biß mich in den Finger,
daß das Blut herausspritzte. Ich hatte eine Maus beim Schwanze. »Au!«
rief ich und schlenkerte sie weg. »Wart, Hex, jetzt krieg ich dich!«
Aber schon war die hübsche Zauberin aufgesprungen und
hatte mir sämtliche Birnen vor die Füße geschüttet. Dies Mäusegekrabbel!
Die meisten liefen weg; nur eine war mir unter der Hose
hinaufgeklettert, das Rückgrat entlang, bis an die Krawatte, wo sie
nicht weiter konnte, und nagte hier wie verrückt, um herauszukommen, und
bevor ich mich noch ausziehen konnte, hatte sie auch schon, wie sich
später zeigte, ein zirkelrundes Loch durch Hemd, Weste und Frack
gefressen.
Als ich mich von dieser Aufregung wieder einigermaßen
gesammelt hatte, sah ich mich um nach dem Blitzmädel, der Hexe; denn ich
hatte Mut gefaßt und wollte ihr mal recht ins Gewissen reden von wegen
der Zauberei, und darnach, so nahm ich mir vor, wollte ich ihr zur
Strafe für ihre Schändlichkeit einige herzhafte Küsse geben. Ich suchte
und suchte, in der Hütte, in der Hecke. Nichts Lebendiges war zu
bemerken, außer ein Laubfrosch, ein Zaunigel, viele Maikäfer und der
Schwanz einer silbergrauen Schlange, die grad in einem Mausloch
verschwand.
Weiterhin schlich der Jägernazi herum, als ob er was verloren hätte. Er
sah recht verstört aus und ging an mir vorbei, ohne mich zu beachten.
Auch ich war etwas trübselig geworden; denn nicht nur
spukte mir das Mädel im Schädel, sondern als ich Frack, Hemd und Weste
ablegte, um den Mäuseschaden zu besichtigen, fehlte mir auch mein
goldenes Medaillon, das ich bisher immer so sorgsam bewahrt hatte.
Gesellschaft der Arno Schmidt Lese=Rinnen ( GASLI )
gegründet 1870 / 71 – ZERSTÖRT 1967
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